- Medizinnobelpreis 1937: Albert Szent-Györgyi von Nagyrapolt
- Medizinnobelpreis 1937: Albert Szent-Györgyi von NagyrapoltDer Biochemiker wurde für seine Entdeckungen auf dem Gebiet der biologischen Verbrennungsprozesse, besonders in Bezug auf das Vitamin C und die Katalyse der Fumarsäure ausgezeichnet.Albert Szent-Györgyi von Nagyrapolt, * Budapest 16. 9. 1893, ✝ Woods Hole (Massachusetts) 22. 10. 1986; ab 1930 Professor für medizinische Chemie an der Universität von Szeged, ab 1935 auch für organische Chemie, 1945-47 Professor für medizinische Chemie in Budapest, 1947 Emigration in die USA, ab 1955 Forschungsleiter des Marine Biological Laboratory in Woods Hole.Würdigung der preisgekrönten LeistungDie Formulierung der Nobelpreisbegründung weist bereits auf die übergreifenden Forschungserfolge von Szent-Györgyi hin. Er wirkte in den 1920er- und 1930er-Jahren maßgeblich an der Erforschung der biologischen Oxidationsprozesse in lebenden Organismen mit und identifizierte dabei die Ascorbinsäure als Vitamin C.Zusammenhänge der ZellatmungSeit den 1920er-Jahren entstand eine allgemeine Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Kohlenhydrat-Stoffwechsel, Zellatmung und Energiefreisetzung. Die Biochemiker wussten, dass Glucose und ihre Speicherform, das Glycogen, auf zwei unterschiedlichen Wegen abgebaut beziehungsweise umgewandelt, das heißt dissimiliert werden kann. Durch die anaerobe Glycolyse (ohne Sauerstoffzufuhr) entsteht die Milchsäure und durch die aerobe Glycolyse (unter Sauerstoffzufuhr) entsteht Brenztraubensäure.Während Otto Heinrich Warburg (Nobelpreis 1931) die Sauerstoffaktivierung als maßgebliche Reaktion der Zellatmung betrachtete, glaubte Heinrich Otto Wieland (Nobelpreis für Chemie 1927), dass der Wasserstoffaktivierung durch bestimmte Enzyme, den Dehydrogenasen, größere Bedeutung zukam. Szent-Györgyi zeigte, dass sowohl die Sauerstoff- als auch die Wasserstoffaktivierung für die zellulare Atmungsreaktion notwendig sind. Er konnte nachweisen, dass der organische Verbrennungsprozess durch eine stufenweise Wasserstoffoxidation an organischen Stoffen erfolgt. Mithilfe mehrerer Katalysatoren, insbesondere der Vitamine, wird jedes Wasserstoffatom schrittweise oxidiert, seine Energie freigesetzt und vereinigt sich schließlich mit dem aktivierten Sauerstoff. Szent-Györgyi forschte in diesem Zusammenhang auch über das damals so genannte »gelbe Enzym« (Zytoflav), das später als Vitamin B2 identifiziert wurde. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für den von Hans Adolf Krebs (Nobelpreis 1953) beschriebenen Zitronensäurezyklus (»Krebs-Zyklus«).Zugleich erkannte Szent-Györgyi damit die Bedeutung der Vitamine für die biologischen Oxidationsprozesse. Intensiv erforschte er das Atmungssystem von Pflanzen, in denen Ascorbinsäure und Peroxidase eine bedeutende Rolle spielen. Er fand heraus, dass die Peroxidase (Enzym zur Oxidation) die Ascorbinsäure nicht direkt oxidiert, sondern noch eine weitere Substanz zwischengeschaltet ist, die von ihm als Flavon oder eine Zeitlang auch als Vitamin P bezeichnet wurde. Die Isolierung der Ascorbinsäure ist zugleich seine populärste Leistung.Identifizierung der Ascorbinsäure als Vitamin CSzent-Györgyis Untersuchungen zur Zellatmung nahmen ihren Anfang mit seinem Interesse an der Funktion der Nebennierenrinde. 1926 entdeckte er in diesem lebenswichtigen Organ eine Substanz mit der Fähigkeit, Oxidationsmittel stark zu reduzieren. Mithilfe der Rockefeller Foundation setzte er seine Forschungen in Cambridge fort und konnte diese Substanz aus Nebennieren und verschiedenen Pflanzen wie Orangen, Zitronen und Kohl isolieren. Er stellte für dieses Molekül die Summenformel C6H8O6 auf und benannte es aufgrund der sechs Kohlenstoffatome Hexuronsäure. Szent-Györgyi vermutete sehr früh, dass diese Substanz mit Vitamin C identisch sei. Der Versuch einer chemischen Strukturanalyse durch Walter Norman Haworth (Nobelpreis für Chemie 1937) scheiterte zunächst an der geringen Menge der Substanz, obwohl Szent-Györgyi unter großem finanziellem Aufwand mit Material aus amerikanischen Schlachthäusern im chemischen Labor der Mayo-Klinik in Rochester 25 Gramm Hexuronsäure isoliert hatte. Inzwischen Professor im ungarischen Szeged, konnte Szent-Györgyi zusammen mit seinem Assistenten die stark aufhebende Wirkung der Hexuronsäure bei Vitamin C Mangel (Skorbut) nachweisen.Als die isolierte Hexuronsäure endgültig aufgebraucht war, entdeckte Szent-Györgyi eher zufällig, dass Paprika eine große Menge Hexuronsäure enthält: »Eines Abends gab es bei uns frische rote Paprika zu essen. Ich hatte keinen Appetit, sie zu essen und suchte nach einem Ausweg. Plötzlich fiel mir ein, dass dies praktisch die einzige Pflanze war, die ich niemals getestet hatte. Ich brachte sie in das Labor und gegen Mitternacht wusste ich, dass sie eine Schatztruhe von Vitamin C war und 2 mg pro Gramm davon enthielt.« Gemeinsam mit Haworth nannte er die Hexuronsäure nun Ascorbinsäure (= ohne Scorbut), deren endgültige chemische Strukturanalyse 1933 der Forschergruppe Haworth-Hirth gelang.Vitamine als moderner MythosDas Interesse an der Vitaminforschung blieb nicht auf die naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen beschränkt, sondern erfasste schon bald sowohl Mediziner als auch eine breite Öffentlichkeit. Die Ernährungslehre wurde nachhaltig durch die Vitaminforschung beeinflusst und als Ernährungswissenschaft zu einer klinischen Disziplin aufgewertet. Bereits 1933 konnte die Forschergruppe um den Schweizer Industriechemiker polnischer Herkunft Tadeus Reichstein (Nobelpreis 1950) die Synthese der Ascorbinsäure verwirklichen und damit die industrielle Produktion ermöglichen. Da der menschliche Organismus nicht zur Biosynthese von Vitamin C in der Lage ist, wird Vitamin C hauptsächlich vorbeugend angewandt. Das ausgeprägte Vitaminbewusstsein der Menschen heute hat zu einer hohen Anreicherung zahlreicher Nahrungsmittel mit Vitamin C geführt.Zu großen Hoffnungsträgern wurden die Vitamine auf dem Gebiet der Krebsforschung. Auch das Vitamin C ist in vielfacher Hinsicht als Krebstherapeutikum in Betracht gezogen worden, ohne dass jedoch eindeutige Erfolge erzielt werden konnten.Weitere wissenschaftliche ArbeitenSzent-Györgyi selbst wandte sich Ende der 1930er-Jahre den chemischen Mechanismen von Muskelzellen zu. Gemeinsam mit seinen Kollegen isolierte er die Muskelproteine Actin und Myosin und entdeckte ihren Komplex, den er Actomyosin nannte. Er bestimmte die energiereichen Phosphatverbindungen des Adenosintriphosphats (ATP) als grundlegenden Faktor bei der Zusammenziehung von Muskeln und schuf somit die Grundlage für die Muskelforschung der darauf folgenden Jahrzehnte. Spätere Arbeiten beschäftigten sich mit der Erhaltung biologischer Substanzen in Glycerin, mit der Thymusdrüse und ihrer Bedeutung für das Immunsystem, mit den elektrophysiologischen Eigenschaften von Membranen sowie mit dem Wachstum von Krebszellen.T. Halling
Universal-Lexikon. 2012.